Probegrenzöffnung am 30. April und 1. Mai 1990
STIFTLANDBOTE, 3. Mai 1990
Rund 40.000 an der Grenze
Zwei Tage Grenzöffnung in Mähring / Promenhof wurde zum internationalen Volksfest
MÄHRING.
Zwischen 30 000 und 40 00 Menschen nutzten den zweiten Probeöff-
nungstag am Dienstag und passierten den Grenzübergang Mähring-Broumov/Promenhof. Nachdem am Montag 15 000 Tschechen nach Mähring gekommen waren, waren nun die Deutschen eingeladen, ihre östlichen Nachbarn zu besuchen.
nungstag am Dienstag und passierten den Grenzübergang Mähring-Broumov/Promenhof. Nachdem am Montag 15 000 Tschechen nach Mähring gekommen waren, waren nun die Deutschen eingeladen, ihre östlichen Nachbarn zu besuchen.
Die Autos mit den Fahrrädern am Dach oder im Kofferraum kamen von weit her. Nürnberg, München, Lauf, Erlangen und Neumarkt konnte man beispielsweise auf den Nummernschildern lesen. Auch zahlreiche Angehörige des Plan-Weseritzer Heimatkreises ließen sich das Ereignis nicht entgehen.
Die Besucher strebten nicht nur die nahen Orte wie Promenhof und Heiligenkreuz (Chodsky-Ujezd) an. Mit dem Fahrrad oder mit tschechischen Pkw ging es bis nach Marienbad, Plan oder Tachau.
Bereits um 9 Uhr drängen sich Radfahrer und Wanderer am noch geschlossenen Schlagbaum. Die Reifen sind aufge-pumpt, die Wanderstiefel geschnürt, die Rucksäcke gepackt und die Sonne lacht. Ein Mähringer Schüler sagt: "Gestern war ich schon in Neuheimhausen." Wohin er heute mit seinem Rad will, weiß er noch nicht so genau.
"Gehen Sie zurück, die Grenze ist erst ab 10 Uhr offen", fordert ein Polizist die Menge auf, die sich längst vor dem tschechischen Schlagbaum tummelt. Um 10 Uhr schneidet Rosa Schöner von der Mähringer Interessengemeinschaft einen tschechischen Laib Brot an. Das Brot wird gesalzen und gemeinsam gegessen. Die Schlagbäume werden endlich geöffnet, fröhlich klingeln die Radfahrer.
Eine endlos lange Menschenschlange setzt sich in Bewegung - Radfahrer, Wanderer und Familien mit Kinderwagen. Begrüßt werden sie mit tschechischer Blasmusik.
Ein bunter Wandertag. Stimmengewirr, Lachen ist zu vernehmen. Von hinten hört man Motorengeräusche. Drei Limousinen einer bayerischen Renommiermarle bahnen sich ihren Weg durch die Menge. Voran Landrat Franz Weigl, der sich nach Promenhof chauffieren lässt. Bei der ersten Einkehrmöglichkeit in Promenhof heißt es: "Agro Bufet - Mc Donalds".
Neben den Tennisplätzen findet ein Ost-West-Volksfest statt. Für Mähringer - erkennbar durch Plaketten - die es für eine Mark zu kaufen gab, gibt es kostenlos Bier und Limo, Würstchen und Kaffee und Kuchen. Ein älterer Mann, der nicht in Mähring wohnt, trinkt seinen Becher Bier aus, dreht sich zu seinem nebenan und deutet auf die Plakette: "Das war ein Markl, das sich rentiert hat."
Neben den Tennisplätzen findet ein Ost-West-Volksfest statt. Für Mähringer - erkennbar durch Plaketten - die es für eine Mark zu kaufen gab, gibt es kostenlos Bier und Limo, Würstchen und Kaffee und Kuchen. Ein älterer Mann, der nicht in Mähring wohnt, trinkt seinen Becher Bier aus, dreht sich zu seinem nebenan und deutet auf die Plakette: "Das war ein Markl, das sich rentiert hat."
Freude und Melancholie liegen nahe beieinander. Eine ältere Frau zeigt zur Volksschule: "Hier bin ich in die Schule gegangen." Erschüttert zeigt sie sich über den schlechten Zustand der Kirche. Sie hat zehn Jahre alte Fotos vom Kirchlein mitgebracht, damals war der Zustand noch besser. Ein trauriges Bild gibt auch der Friedhof hinter der Kirche ab: Verwilderte Gräber und zerbrochene Kreuze. Einer alten Frau stehen Tränen in den Augen. Menschen finden noch Gräber von Angehörigen. Ein Mann poliert mit einem Papiertaschentuch die Gedenktäfelchen für die Gefallenen, die vor der Kirche stehen. "Des is a Taferl von
meinem Cousin", zeigt er nach rechts.
meinem Cousin", zeigt er nach rechts.
Hochbetrieb herrscht im Wirtshaus in Hinter-Kotten (Zadni Chodov): Erschöpfte Radfahrer und Wanderer rasten und trinken ein Bier. Die neue Freiheit ist auch in Hinterkotten zu sehen. An einer Anschlagtafel hängen unter anderem ein Papst-Poster und ein Plakat, das an die Befreiung durch die Amerikaner erinnert.
Zwischen Hinter-Kotten und Heiligenkreuz hat der 18-jähriger Pavel, der in Tachau zur Schule geht, eine Reifenpanne. Er erzählt, am Montag sei er in Mähring gewesen, jetzt fahre er nach Promenhof. "Wenn ich in e die BRD fahre, fühle ich mich wie ein armer Mann", sagt der Schüler, der neben Russisch, Französisch und Englisch auch Deutsch spricht. Als er die vielen deutschen Radfahrer sieht, sagt er: "Tschechen fahren nicht soviel Rad, weil sie keine Ersatzteile bekommen.
Ein beschaulicher Ort ist Heiligenkreuz. Vor dem Maibaum sitzen Jugendliche und laden die Deutschen zu Pilsner Bier ein. Ein Besucher revanchiert sich mit Zollstöcken und Kugelschreibern.
Ein freundliches Bild auch beim Haus, das Josef Nadler erbaut hat. Nach der Vertreibung wohnte Nadler bis zu seinem Tod in Mähring. Unter dem Kirschbaum vor dem Haus sitzen der jetzige Besitzer Ladislav Hulin mit seiner Familie und die drei Nadlertöchter Burgl, Gudula und Walli mit ihren Angehörigen. Man hat ein gutes Verhältnis. Bereits 1981 knüpften die Nadlertöchter Kontakt mit Hulin. Am Montag besuchte er in Mähring Nadlers Grab und dann Gudula Schinagl. Das Haus hält Hulin gut in Schuss. ,Mach ich für Nadler", sagt er. Thomas Scharnagl